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AutorenbildAndreas Tissen

Gartenbrüder in Augsburg: Verfolgte Täufergemeinde

Aktualisiert: 14. Dez. 2024


Augsburg gehörte neben Zürich und Straßburg zu den bedeutenden Zentren der Täuferbewegung. Ab 1526 versammelten sich hier etwa 1000 Täufer in einer Untergrundkirche, die eine Kirche nach dem Vorbild des Neuen Testaments anstrebte – frei von kirchlichen Hierarchien und staatlicher Kontrolle, was sie schnell ins Visier der Obrigkeit brachte.

 

Auf den Spuren der Täufer: Eine Führung mit Wolfgang Krauß

Wolfgang Krauß, Theologe, Täufer-Forscher und mennonitischer Prediger, kennt die Geschichte der Augsburger Täuferbewegung wie kaum ein anderer. Seine Führung beginnt am Rathaus und führt zu den wichtigsten Schauplätzen dieser Zeit.


Eisenberg: Das Gefängnis der Unbequemen

Die erste Station ist der Eisenberg. Im 16. Jahrhundert stand hier das städtische Gefängnis, das „Eisenhaus“ genannt wurde. Unpassende Leute wurden hier in Eisen gelegt.

„Das heißt hier saßen dann auch Täufer ein. es war also nicht nur der Ort für kriminelle Verbrecher, sondern für politische und religiös unpassende Leute“, erklärt Wolfgang.


Die Märtyrersynode: Mission mit fatalen Folgen

Im August 1527 trafen sich etwa 60 Delegierte aus Täufergemeinden des gesamten süddeutschen Sprachraums in Augsburg. Sie erörterten Glaubensfragen und einigten sich auf eine Missionsstrategie.

„Die Beratung über die Missionsstrategie ging im Wesentlichen so aus, dass sie beschlossen haben, die Leute zwei und zwei auszusenden, so wie es Jesus auch gemacht hat“, erklärt Wolfgang. „Das Fatale war, dass die allermeisten auf dem Weg dorthin oder vor Ort verhaftet, vor Gericht gestellt und hingerichtet wurden. Daher später der Name Märtyrersynode.“


Gartenbrüder: Eine gefährliche Gemeinschaft

Die rund 1000 Gartenbrüder bildeten ein Netzwerk kleiner Gruppen, die sich in Privathäusern und Gärten trafen – daher ihr Name. Doch ihre Beharrlichkeit hatte oft tragische Folgen. Wer damals seinen Glauben praktisch leben wollte, riskierte sein Leben.


Hans Denck: Der Vordenker der Augsburger Täufer

Hans Denck war von Anfang an Teil der Täuferbewegung in Augsburg. Er lebte am Kreuztor (heute nicht mehr existent), nahe der ehemaligen Bischofsresidenz.

„Er ist eigentlich der theologische Kopf gewesen hier“, berichtet Wolfgang. Dencks Gedanken prägten nicht nur die Augsburger Täufer, sondern die gesamte Bewegung weit über die Stadt hinaus.


Eine gestürmte Versammlung und grausame Strafen

Ein Treffpunkt der Täufer befand sich in der Altstadt, im Schleifergässchen. Dort wurden sie jedoch 1528 von der Stadtwache überrascht.

„Darauf sind 88 tatsächlich von der Stadtwache verhaftet worden. Man hat sie dann im Eisenhaus eingesperrt“, sagt Wolfgang. Unter Folter wurden sie verhört. Am Ende erlitten viele grausame Strafen: Einige wurden mit einem Brandzeichen auf der Wange markiert, einer Frau die Zunge herausgeschnitten. Hans Leupold wurde hingerichtet, und viele andere – darunter die schwangere Hausherrin Susanna Daucher – wurden aus der Stadt geprügelt.


Das Augsburger Bekenntnis: Verdammung der Täufer

1530 trafen sich im Bischofspalast die Delegierten des Reichstages, darunter der Kaiser, Fürsten und Städtevertreter.

„Und hier soll dann das Augsburger Bekenntnis verlesen worden sein“, erklärt Wolfgang. In einigen Artikeln wurden die Täufer ausdrücklich verdammt – wegen ihrer Ablehnung der Kindertaufe, ihrer Gewaltfreiheit und ihrer Auffassungen zu Abendmahl und Eschatologie.

„Die Nachfolge Jesu war eigentlich ihre zentrale Orientierung, theologisch und praktisch. Die hat bei den anderen Reformatoren kaum eine Rolle gespielt“, ergänzt Wolfgang. Im Gegensatz dazu kommt Jesus im Augsburger Bekenntnis „nur als Mittel der Rechtfertigung vor und nicht als ein Vorbild der Nachfolge“.


Pilgram Marbeck: Ingenieur und Gemeindebauer

Nach der ersten Verfolgungswelle kehrte 1544 ein Täufer nach Augsburg zurück: Pilgram Marbeck. Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten als Wasseringenieur ermöglichten es ihm, in der Stadt zu bleiben. Das von Marbeck maßgeblich mitgestaltete „Augsburger Wassermanagement-System“ wurde 2019 zum UNESCO-Welterbe erklärt. Doch neben seiner Arbeit baute er die angeschlagene Täufergemeinde wieder auf und gab ihr theologische Orientierung.

Nach Marbecks Tod erlosch die Täufergemeinschaft in Augsburg. Viele der Vertriebenen fanden Zuflucht in Täufergruppen in Mähren und wurden Teil der Hutterer und anderer Gemeinschaften. Weitere Verfolgung trieb sie bis nach Russland und Nordamerika.


Die Herausforderung für heute

Die Täuferbewegung lebte Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit und Feindesliebe nach dem Vorbild Jesu. Sie setzten diese Werte trotz großer Gefahren in die Tat um. Ihr Beispiel fordert uns heute heraus, als Gemeinschaft Jesu friedlich und gerecht zu leben – auch in einer Gesellschaft, die immer weniger christlich geprägt ist.


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