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AutorenbildAndreas Tissen

Pilgram Marbeck, Wasseringenieur und Täufertheologe

Pilgram Marbeck war eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die gleichermaßen als innovativer Wasseringenieur und Täufertheologe wirkte. Sein Lebensweg führte ihn von seiner Heimatstadt Rattenberg über viele Stationen Europas bis nach Augsburg, wo er die weltweit ersten Hausanschlüsse installierte und eine verfolgte Täufergemeinde aufbaute.


Von Rattenberg nach Europa

Pilgram Marbeck, um 1495 in Rattenberg am Inn (Österreich) geboren, war Bürgermeister und Bergbauingenieur in seiner Heimatstadt. Dort kam er in Kontakt mit der Reformation und schloss sich der Täuferbewegung an. Seine Überzeugungen zwangen ihn jedoch, 1528 Rattenberg zu verlassen, da die Täufer dort verfolgt wurden. Weitere Stationen seines Lebens waren Straßburg, St. Gallen und schließlich Augsburg.

 

Fluch aus der Heimat

Im Jahr 1528 musste Marbeck Rattenberg fluchtartig verlassen, da er sich weigerte, die Verfolgung von Täufern zu unterstützen. Er verlor dadurch nicht nur seine Heimat, sondern auch den Großteil seines Vermögens, das er zuvor der herzoglichen Verwaltung als Darlehen zur Verfügung gestellt hatte. Heute erinnert eine Gedenktafel am elterlichen Wohnhaus in Rattenberg an diesen mutigen Schritt.


Herz für die Gemeinde

Trotz seines Exils konnte Pilgram Marbeck durch seine technischen Fähigkeiten an verschiedenen Orten seinen Lebensunterhalt sichern. Doch sein eigentliches Anliegen blieb, die durch Verfolgung geschwächten Täufergemeinden innerlich aufzubauen und ihnen eine klare theologische Ausrichtung zu geben.


Straßburg: „Pilger-Holz“

In Straßburg setzte Marbeck seine ingenieurstechnischen Fähigkeiten ein. Die Stadt litt unter Bauholzmangel, woraufhin er vorschlug, Holz aus dem Schwarzwald über die Kinzig und den Rhein nach Straßburg zu flößen. Er entwickelte hierfür ein spezielles Verfahren, das ihn bekannt machte. Noch lange nach seinem Tod wurde das geflößte Holz als „Pilger-Holz“ (abgeleitet von Pilgram) bezeichnet.


Sein Ansichten über Taufe und Staat, führte jedoch zu Konflikten: Nach einer Disputation, bei der er die Stadtoberen nicht überzeugen konnte, wurde er als Direktor des Holzwerks entlassen und aus Straßburg verwiesen.


Augsburg: „Pilgrams Turm“

Als Vertreter einer verfolgten Minderheit fand Marbeck in Augsburg 1544 eine neue Heimat. Dort lebte er mit seiner Frau Anna im „Oberen Brunnenmeisterhaus“ an den Wassertürmen am Roten Tor, einem zentralen Bestandteil des Augsburger Wassersystems. Der Turm wurde lange Zeit als „Pilgrams Turm“ bekannt.


Als Fachmann für Wasserwirtschaft geduldet

Marbecks Aufenthalt in Augsburg war ein stillschweigendes Geschäft: Die Stadt profitierte von seinen Fähigkeiten als Wasserbauexperte und duldete im Gegenzug seine Täufergemeinde. Nur anderthalb Jahrzehnte zuvor waren Täufer in Augsburg noch verfolgt worden; eine bedeutende Minderheit war vertrieben, ein Prediger sogar hingerichtet worden.


„Meister Pilgram“ und die ersten Hausanschlüsse

Marbecks größte technische Errungenschaften waren die Erneuerung und der Ausbau des Augsburger Brunnenwerks sowie die Erweiterung des Leitungsnetzes – eine Innovation, die weltweit die ersten Hausanschlüsse ermöglichte. Sein Name findet sich in vielen städtischen Dokumenten, wo er meist als „Meister Pilgram“ geführt wurde, um seine Identität zu schützen.


UNESCO-Auszeichnung für das Augsburger Wassersystem

Das von Marbeck entscheidend mitgestaltete „Augsburger Wassermanagement-System“ wurde 2019 zum UNESCO-Welterbe erklärt. In der Begründung heißt es unter anderem: „Die Einrichtung eines neuen flächendeckenden Systems von Versorgungsleitungen fiel in die Zeit des Brunnenmeisters Pilgram Marbeck, dem das Amt im Jahr 1544 übertragen worden war. Neben dem Leitungssystem widmete er sich auch intensiv der Entwicklung der Holzflößerei in Augsburg. Eine auf Marbecks Initiative zurückgehende Errungenschaft war ein Verzeichnis der genauen Lage und der Position der Verzweigungen aller im städtischen Leitungsnetz verbauten Rohrleitungsabschnitte oder Deicheln. Auch die Entwicklung und Fortschreibung des städtischen Leitungsnetzes sollte nach einem von ihm entwickelten spezifischen technischen Regelwerk erfolgen. Die Deicheln genannten hölzernen Röhren förderten das Wasser in die Haushalte.“


Bedroht und bedrängt

Trotz seiner Verdienste blieb Marbeck nicht von Konflikten verschont. 1553 wurde er wegen geheimer Lehrtätigkeit verwarnt, und bereits 1544 war ihm zu Beginn seines Aufenthalts in Augsburg die Verbannung angedroht worden. Während des Schmalkaldischen Krieges 1546 wurden sechs Mitglieder seiner Gemeinde ausgewiesen, da sie den Wachdienst verweigerten. Dennoch blieb Marbeck bis zu seinem Tod 1556 in städtischem Dienst und Sold.

 

Tag und Nacht im Einsatz

Einer seiner Zeitgenossen beschrieb ihn als „sehr frommen Mann, ausgezeichnet in seinem Beruf und eifrig in der Verwaltung der Stadt Rattenberg“. Bis zum Schluss war er unermüdlich im Einsatz. Man sagte über ihn, dass er am Tag Kanäle baute und der Nacht die Gemeinde baute.


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