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Thomas Müntzer: Beinahe ein Täufer...

Darstellung Thomas Müntzers aus dem Jahr 1608, Kupferstich von Christoph van Sichem
Darstellung Thomas Müntzers aus dem Jahr 1608, Kupferstich von Christoph van Sichem

Thomas Müntzer war ein Reformator, der die Säuglingstaufe ablehnte, aber wahrscheinlich selber nie getauft wurde. Der Bibellesekreis um Konrad Grebel schrieb an Müntzer zwei Briefe, da einige Punkte die Müntzer vertrat auch von dem Bibellesekreis vertreten wurden. Die Gewaltbereitschaft Müntzer wurde abgelehnt. In den Briefen wurde Müntzer diesbezüglich auch ermahnt und gebeten von Gewalttaten abzusehen. Ob die Briefe bei Müntzer ankamen, ist nicht bekannt.


Frühes Leben und Ausbildung


Thomas Müntzer wurde um das Jahr 1489 in Stolberg im Harz geboren. Sein Vater war vermutlich Handwerker oder Bürger, möglicherweise auch früh Opfer sozialer Unruhen, was Müntzer später als Kindheitstrauma beschrieb. Über seine Jugend ist wenig bekannt, doch zeigte er früh eine hohe Begabung für Theologie und Sprachen.


Müntzer studierte ab 1506 an der Universität Leipzig, später ab 1512 in Frankfurt (Oder), wo er einen Magistergrad erwarb. Bereits zu dieser Zeit zeigte er großes Interesse an kirchlichen Reformideen und humanistischen Studien. Ab 1517 hielt er sich in Wittenberg auf, wo er in Kontakt mit Martin Luther kam. Zunächst bewunderte Müntzer Luther und seine 95 Thesen, die den Ablasshandel kritisierten.


Weg zum Radikalreformator


Obwohl er Luther zunächst unterstützte, entwickelte sich Müntzer bald zu einem Kritiker. Ihm genügte Luthers Ansatz nicht, die Kirche nur in theologischer Hinsicht zu reformieren. Müntzer forderte eine tiefgreifende soziale und politische Umwälzung. Er war, im Gegensatz zu den Täufern, überzeugt, dass Gott durch Offenbarung und den „inneren Geist“ zu den Gläubigen spricht – nicht allein durch die Bibel. Diese „revolutionäre Theologie“ brachte ihn in Gegensatz zu Luther, den Täufern und der offiziellen Reformation.



Im Jahr 1520 wurde Müntzer zum Priester in Zwickau berufen, wo er Kontakt zur radikalen Laienbewegung der Zwickauer Propheten bekam. Diese lehnten die Kindertaufe ab und erwarteten die baldige Apokalypse. Müntzer teilte viele ihrer Vorstellungen und trat offen gegen die kirchliche Hierarchie auf. In Zwickau kam es zu Konflikten mit dem Stadtrat und mit lutherischen Kräften, woraufhin er die Stadt verlassen musste.


Wirken in Süddeutschland und Allstedt


Nach mehreren Zwischenstationen – u.a. in Böhmen, wo er versuchte, Anschluss an die Taboriten, eine radikale hussitische Bewegung, zu finden – gelangte Müntzer 1523 nach Allstedt (Thüringen), wo er als Pfarrer tätig war. Dort verfasste er sein wichtigstes theologisches Werk, die „Allstedter Predigten“, sowie das sogenannte Allstedter Bekenntnis. Er führte erstmals einen evangelischen Gottesdienst in deutscher Sprache ein – inklusive volkssprachlicher Liturgie.

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Müntzer gewann schnell großen Einfluss unter der Landbevölkerung. In seiner berühmten Fürstenpredigt vom 13. Juli 1524 warnte er Herzog Johann von Sachsen vor Gottes Zorn, falls dieser die Ungerechtigkeit im Land nicht beseitige. Dies führte zu wachsender Beobachtung durch die Obrigkeit.


Engagement im Bauernkrieg


Im Jahr 1524 begann der Deutsche Bauernkrieg, eine der größten sozialen Erhebungen der frühen Neuzeit. Die Bauern in Süddeutschland und Thüringen erhoben sich gegen Feudalherren, Klöster und Adelige – teils inspiriert durch falschverstandenen reformatorische Gedanken, teils aus ökonomischer Not.

Thomas-Müntzer-Denkmal in Stolberg
Thomas-Müntzer-Denkmal in Stolberg

Müntzer wurde zum geistigen Führer der aufständischen Bauern. In Mühlhausen (Thüringen) schloss er sich der revolutionären Bewegung an und wurde zum geistlichen Führer des „Ewigen Rates“, einer von den Bauern eingesetzten Stadtregierung.


Er verfasste das berüchtigte Flugblatt „Auslegung des anderen Unterschieds Daniels“, in dem er die Vernichtung der Gottlosen forderte, und benutzte apokalyptische Sprache, um den Umsturz der Weltordnung zu legitimieren. Sein Schlachtruf: „Omnia sunt communia“ („Alles soll gemeinsam sein“) war Ausdruck seiner Vision einer klassenlosen, göttlich inspirierten Gesellschaft.


Niederlage und Tod


Am 15. Mai 1525 kam es zur entscheidenden Schlacht bei Frankenhausen zwischen den aufständischen Bauern und den Truppen des sächsischen und hessischen Adels. Die Bauern waren zahlenmäßig stark, aber militärisch schlecht organisiert und ausgerüstet.

Denkmal auf dem Rieseninger Berg in Mühlhausen, wo der Überliferung nach sein Kopf aufgespießt worden ist
Denkmal auf dem Rieseninger Berg in Mühlhausen, wo der Überliferung nach sein Kopf aufgespießt worden ist

Die Adligen siegten vernichtend. Tausende Bauern starben, Müntzer wurde gefasst, gefoltert und zum Widerruf seiner Ideen gezwungen. Am 27. Mai 1525 wurde er in Mühlhausen öffentlich hingerichtet – enthauptet und sein Kopf zur Abschreckung aufgespießt.


Nachwirkung und Bedeutung


Thomas Müntzer wurde in den Jahrhunderten danach unterschiedlich bewertet:

  • Martin Luther verurteilte ihn als Schwärmer und Verführer.

  • Der Bibellesekreis um Konrad Grebel und Felix Mantz sahen in ihm eine wichtige Persönlichkeit, missbilligten aber seine Gewaltbereitschaft

  • In der frühen Neuzeit galt er meist als gefährlicher Fanatiker.

  • In der modernen Geschichtsschreibung, insbesondere im 20. Jahrhundert, wurde er – etwa in der DDR – als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit und Vorläufer des Kommunismus verehrt.

  • Heute wird Müntzer differenzierter gesehen: als tragische Figur zwischen religiöser Vision, sozialer Not und politischer Radikalisierung.


Sein Leben zeigt auf tragische Weise wie schnell religiöse Ideen in einer Zeit des Umbruchs fehlegeleitet werden können. Es zeigt auch wie die Reformation, ausgehend von der biblischen Grundlage, missverstanden werden kann und so beiträgt zu Revolution und Gewalt.



Quellen und Literaturhinweis:


  • Thomas Müntzer: Schriften und Briefe, hrsg. von Günther Franz, Leipzig: Reclam, 1979 (mehrere Neuauflagen).

  • Thomas Müntzer: Auslegung des andern Unterschieds Daniels (1524). Ein radikales Flugblatt zur biblischen Legitimation der Revolution.

  • Fürstenpredigt (Juli 1524 in Allstedt). Berühmte Predigt vor Herzog Johann von Sachsen.

  • Günther Franz: Der Deutsche Bauernkrieg, München: DTV, 1977. Standardwerk über die Aufstände 1524/25, mit ausführlichem Kapitel zu Müntzer.

  • Peter Blickle: Die Revolution von 1525, München: Oldenbourg, 2004. Modernes, differenziertes Werk über Ursachen und Verlauf des Bauernkriegs.

  • Gerhard Wehr: Thomas Müntzer. Mystiker – Theologe – Revolutionär, Stuttgart: Kreuz-Verlag, 1989. Gut lesbare Einführung in Leben und Denken Müntzers.

  • Hans-Jürgen Goertz: Thomas Müntzer. Revolutionär am Ende der Zeiten, München: C.H. Beck, 1989 (Beck Wissen). Einführendes, aber historisch fundiertes Porträt Müntzers.

  • Rainer Wohlfeil (Hrsg.): Thomas Müntzer: Zwischen Reformation und Revolution, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1989. Wissenschaftlicher Sammelband mit verschiedenen Perspektiven.


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