Heinrich Donner (1735–1805): Ein Diener des Wortes im Wandel der Zeiten
- Redaktion

- 1. Nov.
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„Gott sei unser Trost in unruhigen Zeiten, und sein Wort bleibe unser Halt.“— Heinrich Donner, aus seinen Aufzeichnungen, um 1795
Ein Leben im Weichseldelta
In den stillen Niederungen des Weichseldeltas, dort wo Land und Wasser ineinander übergehen, entstand im 18. Jahrhundert ein blühendes mennonitisches Gemeindeleben. Hier, in der Nähe von Danzig, wurde um das Jahr 1735 Heinrich Donner geboren. Er wuchs in einer friesischen mennonitischen Familie auf, geprägt von Fleiß, Ordnung und tiefem Glauben.
Die Mennoniten dieser Region lebten einfach, aber in geordneten Strukturen. Ihre Höfe und Dörfer – wie Orlofferfelde, Tiegenhagen und Marienwerder – zeugten von Gemeinschaftssinn und handwerklichem Geschick. In diesem Umfeld lernte der junge Donner, dass Glauben und tägliche Arbeit ein untrennbares Ganzes bilden.
Lehrer und Ältester der Gemeinde Orlofferfelde
Bereits in jungen Jahren wurde Donner Lehrer der friesischen Gemeinde Orlofferfelde. Sein klarer Verstand, sein schriftliches Können und seine ruhige Art machten ihn bald zu einer angesehenen Persönlichkeit.
Im Jahr 1772 – als Preußen durch die Erste Teilung Polens das Weichseldelta übernahm – berief ihn die Gemeinde zum Ältesten. Damit begann ein Dienst, der über drei Jahrzehnte andauerte und die mennonitische Geschichte Westpreußens nachhaltig prägte.
Als Ältester war Donner Seelsorger, Lehrer und Verwalter zugleich. Er leitete die Gemeindeversammlungen, führte Taufen und Abendmahlsfeiern durch, besuchte Kranke und Verwitwete, schlichtete Streitfälle und sorgte für die geistliche Ordnung. Sein Dienst war von Bescheidenheit und zugleich von Entschiedenheit getragen – zwei Tugenden, die das mennonitische Ideal des „Dieners im Wort“ verkörpern.
Ein Chronist des Glaubensalltags
Heinrich Donner war nicht nur ein geistlicher Leiter, sondern auch ein begabter Schriftführer. In seinem Tagebuch und der Orlofferfelder Chronik hielt er fest, was sich Jahr für Jahr in der Gemeinde ereignete: Taufen, Eheschließungen, Todesfälle, aber auch Hochwasser, Ernteerträge, wirtschaftliche Sorgen und innergemeindliche Fragen.

Seine Aufzeichnungen zeichnen ein lebendiges Bild des mennonitischen Alltags im 18. Jahrhundert. Sie zeigen, wie eng Glaube und Leben miteinander verwoben waren – wie man arbeitete, betete, sich gegenseitig half und das Wort Gottes im einfachen Tun verkörperte.
„Wir müssen schreiben, wie Gott uns durchträgt, damit die Nachkommen sehen, wie Er seine Gemeinde erhält.“— Heinrich Donner, Chronik-Eintrag 1798
Friedenszeugnis unter preußischer Herrschaft
Donners Amtszeit fiel in eine Phase tiefgreifender Veränderungen. Nach 1772 gehörte die Region nicht mehr zu Polen, sondern zu König Friedrich II. von Preußen. Das brachte neue Gesetze – auch solche, die das Gewissen der Mennoniten berührten.
Preußen verlangte von allen Bürgern Wehrpflicht. Für die Mennoniten, deren Glaube den Militärdienst ablehnte, war dies ein schweres Ringen. Als Ältester stand Donner zwischen der Gemeinde und den königlichen Beamten. Mit Besonnenheit und fester Überzeugung verhandelte er über Privilegien und Ausnahmen.
Seine Chronik berichtet von diesen Gesprächen, von Briefen an Behörden, aber auch von Gebetsversammlungen in Zeiten der Unsicherheit. Donner suchte nicht den offenen Widerstand, sondern die friedliche Lösung – fest verankert in dem Glauben, dass „Gott denen Weisheit gibt, die ihm vertrauen“.
Ein Buch der Andacht
Neben seiner Chronik verfasste Heinrich Donner ein kleines, aber wertvolles Andachtsbuch:„Abendmahls-Andachten: Gebete und Lieder vor und nach dem heiligen Abendmahl“ (Marienwerder, ca. 1788).
Dieses Werk diente den Gemeinden als geistliche Anleitung zur Vorbereitung auf das Abendmahl. Es enthält schlichte Gebete, die von Demut, Buße und Dankbarkeit durchdrungen sind. Darin spricht der Hirte, der seine Herde zum stillen Nachdenken über die Gemeinschaft mit Christus führt.
Familie, Arbeit und Glaubensgemeinschaft
Donner war zweimal verheiratet – zuerst mit Elisabeth Grunau, später mit Elisabeth Stobbe. Beide Familien waren in der mennonitischen Bevölkerung Westpreußens fest verwurzelt.
Die Donners gehörten zu jenen, die in Landwirtschaft, Mühlenwesen und Brennerei tätig waren – Wirtschaftszweige, die das Überleben der Gemeinden sicherten. Für Heinrich Donner war Arbeit kein Gegensatz zum Glauben, sondern ein Ausdruck desselben: „Im Fleiß ist die Dankbarkeit gegen Gott verborgen.“
Letzte Jahre und Vermächtnis
Bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1804 oder 1805 diente Heinrich Donner unermüdlich seiner Gemeinde. Seine letzten Einträge sind von Altersmilde und Dankbarkeit geprägt. Nach seinem Heimgang übernahm sein Sohn Johann Donner das Ältestenamt – ein Zeichen dafür, dass sein Dienst Früchte trug und das Vertrauen der Gemeinde fest in der Familie wurzelte.
Heute, mehr als zweihundert Jahre später, spricht Heinrich Donners Stimme noch zu uns – aus vergilbten Seiten, aber mit unverminderter Klarheit. Seine Chroniken erinnern uns daran, dass Treue, Verantwortung und Gemeinschaft die Säulen einer lebendigen Gemeinde bleiben.
Nachwirkung
Die Handschriften Donners werden heute im Staatsarchiv Danzig und im Mennonite Heritage Archives (Kanada) bewahrt. Eine moderne englische Übersetzung seines Tagebuchs erschien 2023. Forschende schätzen seine Aufzeichnungen als eine der wichtigsten Quellen zur mennonitischen Geschichte in Westpreußen.
Für uns als Mennoniten aber bleibt Heinrich Donner vor allem eines: Ein Bruder im Glauben, der in seiner Zeit die Gemeinde durch Wort, Ordnung und Vertrauen auf Gott geführt hat – und damit ein bleibendes Beispiel für geistliche Verantwortung hinterlässt.
„So lasst uns standhaft bleiben, wie die, die vor uns waren.“
Englische Übersetzung des Tagebuches von Heinrich Donner




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