Peter Jacob Klassen (1889–1953)Mennonitischer Lehrer, Prediger, Dichter und Schriftsteller
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Aktualisiert: vor 3 Stunden

Peter Jacob Klassen war ein Lehrer, Prediger und Schriftsteller, dessen Lebenswerk die mennonitische Erfahrung des 20. Jahrhunderts verkörpert: den Bruch mit der alten Heimat, die Neuorientierung im Exil und die Bewahrung des Glaubens durch Sprache und Literatur.
Seine Stimme – geprägt von Demut, Glauben und dichterischer Kraft – bleibt ein fester Bestandteil der mennonitischen Geschichte. Sein wichtigstes Werk "Verlorene Söhne" ist aktuell in Filadelfia, Paraguay neu aufgelegt worden.
1. Kindheit und Familie (1889–1902)
Peter Jacob Klassen wurde am 7. Juni 1889 im mennonitischen Dorf Spat auf der Krim, Südrussland, geboren. Seine Eltern, Jakob Peter Klassen (1857–1902) und Neta (geb. Goertzen), gehörten zur mennonitischen Ansiedlung, die im 19. Jahrhundert von deutschen Einwanderern gegründet worden war.
Die Gemeinde Spat war Teil der sogenannten Krim-Mennoniten-Kolonie, einer von mehreren mennonitischen Siedlungsregionen in Russland. Diese Gemeinschaften pflegten eigene Schulen, Kirchen und soziale Strukturen. Klassen wuchs in einer Atmosphäre auf, in der Glaube, Bildung und Gemeinsinn zentrale Werte waren.
Sein Vater starb, als Peter erst dreizehn Jahre alt war, was früh Verantwortung und Selbstständigkeit von ihm verlangte. Schon als junger Mann zeigte er Interesse an Sprachen, Literatur und Theologie — Fähigkeiten, die sein späteres Wirken prägten.
2. Ausbildung und frühe Berufsjahre (1902–1923)
Klassen besuchte die weiterführende Schule in Spat, wo er eine solide Ausbildung in Deutsch, Religion, Musik und Pädagogik erhielt. Nach dem Abschluss blieb er an der Schule und unterrichtete selbst.

Am 3. Januar 1910 heiratete er Liese Loewen (1892–1992), Tochter von Isaak und Agatha (geb. Enns) Loewen, die ebenfalls einer angesehenen mennonitischen Familie entstammte. Das Paar hatte elf Kinder: Peter, Arthur (jung verstorben), Lillian, Arthur (zweiter Sohn gleichen Namens), Oscar, Frieda, Elsie, Eleanor, Rudy, William und Heide.
Nach der Heirat versuchte sich Klassen zunächst im Handel und Kleinunternehmertum, kehrte jedoch bald in den Lehrberuf zurück. Zwischen 1916 und 1924 unterrichtete er an verschiedenen Schulen auf der Krim und in der Region Arkadak (heute Russland).

In dieser Zeit übernahm er zunehmend gemeindliche und politische Aufgaben: Mehrfach reiste er nach Moskau, um als Vertreter der mennonitischen Bevölkerung mit den neuen sowjetischen Behörden zu verhandeln — ein Hinweis auf sein hohes Ansehen und sein diplomatisches Geschick.
Neben seiner Lehrtätigkeit wirkte er als Jugendleiter und Chorleiter, womit er die geistliche und kulturelle Arbeit der Mennoniten unterstützte.
Am 3. Juli 1923 wurde Klassen schließlich zum Prediger der Ebenfeld Mennonite Church gewählt und von Prediger P. Wiens ordiniert.
3. Auswanderung und Neubeginn in Kanada (1925–1928)
Nach Jahren politischer Unsicherheit, Bürgerkrieg und wirtschaftlicher Not entschied sich Peter J. Klassen 1925, mit seiner Familie nach Kanada auszuwandern — wie viele andere Mennoniten, die nach der Russischen Revolution und den Repressionen unter Lenin und Stalin ihre religiöse Freiheit gefährdet sahen.
Die Familie ließ sich zunächst in Rosthern und später in Saskatoon, Saskatchewan, nieder, wo sich viele russlandmennonitische Familien ansiedelten. In diesen Jahren war Klassen zunächst als Lehrer und Aushilfsprediger tätig, während er sich um den Aufbau eines neuen Lebens in der kanadischen Prärie kümmerte.
4. Predigtdienst und Gemeindearbeit in Superb (1928–1948)
Im Jahr 1928 erwarb Klassen eine Farm in der Nähe des kleinen Ortes Superb, Saskatchewan. Dort wurde er Prediger der Superb Mennonite Church, einer jungen Gemeinde, die damals noch aus einfachen Holzgebäuden und verstreuten Farmen bestand.
Über zwanzig Jahre lang diente er der Gemeinde mit großem Engagement. Seine Predigten verbanden geistliche Tiefe mit sozialer Realität — Themen wie Frieden, Gewissensfreiheit, Erziehung, Verantwortung und Gemeinschaft standen im Mittelpunkt.
Neben seiner kirchlichen Arbeit blieb Klassen schriftstellerisch aktiv. Er veröffentlichte regelmäßig in den mennonitischen Zeitungen Der Bote und Der Kinderbote, letzterer mit seiner beliebten Kolumne „Onkel Peters Ecke“, die Kindern religiöse und moralische Werte in einfacher, humorvoller Form vermittelte.
5. Literarisches Schaffen
Peter J. Klassen gilt als einer der bedeutendsten mennonitischen Dichter und Erzähler deutscher Sprache in Kanada. Seine Werke vereinen Volksnähe, religiöse Ernsthaftigkeit und ein tiefes Bewusstsein für die historischen Umstände der mennonitischen Diaspora.
Hauptwerk – Verlorene Söhne (1951)
Sein bekanntestes Buch, „Verlorene Söhne“, erschien 1951 in einer Auflage von 5.000 Exemplaren, herausgegeben von der Canadian Mennonite Conference. Es behandelt Fragen von Glaubenstreue, Frieden und Gewissensentscheidung – zentrale Themen der mennonitischen Theologie. Dieses wichtige Werk wurde jetzt aktuell in Filadelfia, Paraguay neu aufgelegt und ist somit wieder erhältlich.
In der Nachkriegszeit, als Mennoniten sich erneut mit Wehrdienst und Kriegsverweigerung auseinandersetzen mussten, diente das Buch als literarische und theologische Reflexion dieser Gewissensfragen. Es wurde in den Gemeinden weit verbreitet und vielfach besprochen.
Klassen veröffentlichte außerdem Erzählungen, Gedichte und Fabeln, z. B. unter den Titeln „Großmutters Schatz und andere Geschichten“ und „Die Heimfahrt“. Einige seiner Werke erschienen unter dem Pseudonym „Peter Quidam“ (lat. quidam = „ein Gewisser“), womit er seine Rolle als Stimme der mennonitischen Gemeinschaft hervorhob, ohne den Fokus auf die eigene Person zu legen.
6. Späte Jahre in Yarrow (1948–1953)
Im Jahr 1948 zog Klassen nach Yarrow, British Columbia, eine damals blühende mennonitische Siedlung im Fraser Valley. Hier fand er in milderem Klima neue Kraft zum Schreiben und Predigen.
Trotz gesundheitlicher Probleme blieb er produktiv und geistlich aktiv. Seine letzten Jahre widmete er vor allem der literarischen Arbeit und dem Briefwechsel mit anderen mennonitischen Autoren und Kirchenführern.
Peter J. Klassen starb am 19. Juli 1953 in Chilliwack, B.C. und wurde auf dem mennonitischen Friedhof in Yarrow beigesetzt.
Seine Frau Liese Klassen überlebte ihn um fast vierzig Jahre und starb 1992 in Vancouver.
7. Wirkung und Nachleben
Peter J. Klassen wird von Literaturhistorikern und Theologen als einer der einflussreichsten deutschsprachigen mennonitischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts bezeichnet.
Der Theologe J. H. Janzen schrieb über ihn:
„Er ist derjenige, der in der deutschen Literatur am bekanntesten ist und der einzige [mennonitische] Dichter, der hohe Auszeichnungen und ein Einkommen für seine literarische Arbeit erhalten hat.“
Klassen’ Schriften spiegeln den Weg der russlandmennonitischen Gemeinschaften wider — von religiöser Freiheit über Verfolgung und Flucht bis hin zur Neuverwurzelung in Kanada. Seine Texte sind heute nicht nur literarische Zeugnisse, sondern auch Dokumente mennonitischer Kulturgeschichte.
8. Historischer Kontext
Klassen’ Lebensweg ist untrennbar mit den großen Umwälzungen der mennonitischen Geschichte verbunden:
Zaristische Kolonialpolitik: Die Mennoniten genossen im 19. Jahrhundert Privilegien (z. B. Befreiung vom Militärdienst), die jedoch ab 1870 zunehmend eingeschränkt wurden.
Russische Revolution und Bürgerkrieg: Gewalt, Enteignungen und Hungersnöte zwangen viele Mennoniten zur Flucht.
Auswanderung nach Kanada: Zwischen 1923 und 1930 emigrierten über 20.000 Mennoniten nach Nordamerika, viele über die Hafenstädte Riga und Hamburg.
Kanadische Neuansiedlung: In Saskatchewan und Manitoba entstanden neue Siedlungen, Schulen und Kirchen — Superb war eine davon. Klassen gehörte zu den prägenden Figuren dieser Aufbauzeit.
Seine Biografie illustriert den Übergang vom russischen Mennonitentum zum kanadischen Mennonitentum, das durch Anpassung, Glaubenstreue und kulturelle Eigenständigkeit geprägt war.
9. Bibliographie und Quellen
Primärwerke
"Verlorene Söhne" (Winnipeg: Canadian Mennonite Conference, 1951)
Beiträge in Der Bote (1920er–1950er Jahre)
Kolumne Onkel Peters Ecke in Der Kinderbote
Gedichte und Erzählungen unter dem Pseudonym Peter Quidam
Sekundärquellen
Mennonite Heritage Archives, Fonds: Superb Mennonite Church Records
Bibliography of Mennonite Writings in Canada (University of Winnipeg)
J. H. Janzen, Mennonite Writers in Canada, Konferenzbericht, 1954
New Canadian Letters (University of Toronto Press) – literaturgeschichtliche Hinweise