Präsidentschaftswahl in Bolivien, alles richtig gelaufen?
- Redaktion

- 23. Okt.
- 4 Min. Lesezeit

Bolivien hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrere politische Umbrüche und Wahlreformen erlebt. Dabei stand immer wieder die Frage im Raum, wie zuverlässig und transparent die Auszählung der Stimmen erfolgt. Der Tiefpunkt wurde im Jahre 2019 erreicht als bei der Präsidentschaftswahl die Ergebnisübertragung plötzlich unterbrochen wurde. Nach Wiederaufnahme der Zählung verzeichnete Evo Morales einen deutlich Stimmenzuwachs, was zu Manipulationsvorwürfen führte. Diese Vorwürfe führten zu massiven Protesten, sodass Evo Morales zurücktreten musste.

Bei der jetzigen Stichwahl um das Präsidentenamt, wurden auch Manipulationsvorwürfe geäußert. Laut einer Umfrage, machten solche Vorwürfe auch unter den Mennoniten die Runde und führten zu Verunsicherung. Daher wollen wir hier in diesem Beitrag uns das System der Stimmenauszählung genau ansehen und versuchen Klarheit in die Angelegenheit zu bringen.
Ein neuer Ansatz im Andenstaat
Mit Blick auf die Präsidenten- und Parlamentswahlen 2025 hat das Wahlbehörde (Órgano Electoral Plurinacional (OEP)) in Bolivien zwei neue digitale Systeme eingeführt, die die Stimmauszählung transparenter gestalten und Manipulationsvorwürfen vorbeugen sollen: das System der vorläufigen Ergebnisse SIREPRE (Sistema de Resultados Preliminares) sowie das verbindliche Konsolidierungssystem SCORC (Sistema de Consolidación Oficial de Resultados de Cómputo).
Zwei Systeme mit klarer Aufgabenverteilung
SIREPRE (Systema de Resultados Preliminares) dient der schnellen Information der Öffentlichkeit: Bereits am Wahlabend werden via digitale Übertragung der Wahlscheine große Teile der Stimmenbilder präsentiert. Laut OEP wird dabei eine App genutzt, über die die Wahlakt-Protokolle (actas) fotografiert, übertragen und registriert werden. Diese Ergebnisse sind nicht rechtsverbindlich, sondern zeigen lediglich eine Tendenz.

SCORC (Sistema de Consolidación Oficial de Resultados de Cómputo) dagegen übernimmt die offizielle und rechtsverbindliche Auszählung: Hier werden alle Wahlzettel physisch kontrolliert, gesichert und in den einzelnen Wahlbezirken schrittweise in den Zentral-Rechenzentren verarbeitet. Diese Auszählung ist bindend und wird durch Beobachter überwacht. Der Transport der Wahlunterlagen wird durch Militär und Polizei überwacht, um hier mögliche Manipulationen auszuschließen.

Die Wahlbehörde (OEP) setzt auf maximale Transparenz, sodass diese Protokolle auf der Homepage der OEP eingesehen werden können.
Warum eine derartige Doppelstruktur?
Der Hintergrund liegt in der bolivianischen Wahlgeschichte: frühere Prozesse wurden von Manipulationsvorwürfen überschattet, wodurch die Legitimität von Wahlergebnissen in Zweifel geriet. Das OEP argumentiert daher, dass die transparente Früh-Information durch SIREPRE sowie die nachgelagerte, umfassende Validierung durch SCORC helfen sollen, Vertrauen zu schaffen. Die Trennung in „schnell informieren“ und „verbindlich auszählen“ folgt dem Prinzip: Erst Sichtung der Trends, dann formale Bestätigung – mit starker Betonung auf Sicherheit, Verschlüsselung und Überwachung.
Technische und organisatorische Eckpunkte
Bei SIREPRE wird von allen Wahlstationen eine digitale Kopie der Stimmzettel erzeugt, verschlüsselt und über sichere Netze an das zentrale System gesendet.
SCORC sieht vor, dass die physischen Wahlunterlagen in den Territorial-Wahlbehörden (TED) zusammengeführt, von politischen Beobachtern sowie internationalen Missionen geprüft und anschließend national konsolidiert werden.
Die rechtliche Grundlage liefert die Wahlgesetzgebung: So verlangt Artikel 187 der Wahlrechtsnorm, dass der nationale Auszählungsprozess in einer öffentlichen Sitzung der Vollversammlung des Tribunal Supremo Electoral stattfindet.
Das OEP kündigte an, Material-Überwachung online verfügbar zu machen: Wahlmaterialien werden in Echtzeit beobachtbar sein.
Bedeutung des neuen Systems für die Stichwahl
Was gut funktioniert hat
Das System SIREPRE wurde wie geplant am Wahlabend aktiviert: Das Tribunal Supremo Electoral (TSE) kündigte an, dass die Tendenz-Ergebnisse gegen 20:30 Uhr veröffentlicht würden.
Auch die offiziellen Systeme wurden freigeschaltet: Der TSE gab bekannt, dass sowohl SIREPRE als auch SCORC für die zweite Runde installiert seien, mit dem ausdrücklichen Ziel, „Transparenz und Legitimität“ zu gewährleisten.
Internationale Wahlbeobachter waren stark vertreten, was zusätzlich Vertrauen schaffen konnte. Die European Union Election Observation Mission (EU EOM) etwa war in allen neun Departements aktiv.
Es gibt keine größeren bestätigten Meldungen von massiven Manipulationen oder Ausfällen, die die Gesamtergebnisse in Frage gestellt hätten – zumindest laut den verfügbaren Quellen.
Wo und wie es hakte
Der offizielle Auszählungsprozess via SCORC verlief sehr langsam: Am Morgen nach der Wahl lag der Anteil der bereits erfassten Wahlprotokolle („actas“) bei nur etwa 29,1 %.
Es ergaben sich Abweichungen zwischen den Tendenzen aus SIREPRE und dem offiziellen SCORC-Zählstand: Während SIREPRE eine klare Tendenz für einen Kandidaten auswies, zeigte SCORC im frühen Stadium teilweise andere Zwischenergebnisse – teils weil bei SCORC zunächst vorrangig städtische Wahlbezirke verarbeitet wurden und ländliche Regionen verzögert zum System beitrugen.
Technische Probleme: Es wurde von einer Stunde Ausfall bei SIREPRE berichtet, was Fragen zur Zuverlässigkeit der Übertragungs- und Kommunikationsinfrastruktur aufwarf.
Bewertung: Hat das System sein Ziel erreicht?
Ja — teilweise und mit Vorbehalten.
In Hinblick auf Transparenz: Wurden die vorgesehenen Systeme eingesetzt und war Öffentlichkeits- und Beobachterzugang (3000 Nationale und internationale Beobachter) vorhanden. Das ist ein Fortschritt gegenüber früheren Wahlzyklen.
In Bezug auf Effizienz und Klarheit: Hier gibt es noch Defizite. Die Verzögerung bei der offiziellen Auszählung sowie technische Zwischenfälle mindern die wahrgenommene Effektivität.
Bezüglich Verhinderung von Wahlbetrug: Es gibt keine bislang belastbaren Medienberichte, die auf systematische Manipulationen hindeuten. Die Systeme lieferten zumindest keine alarmierenden Hinweise – was dafür spricht, dass das Risiko reduziert wurde.
Für das Vertrauen der Öffentlichkeit: Der Erfolg hängt nicht nur vom System an sich ab, sondern auch von der Kommunikation und vom Management von Erwartungen (z. B. dass SIREPRE nicht rechtsverbindlich ist, aber als Tendenz gilt). Hier liegt noch Raum zur Verbesserung.

Bolivien hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Durch neue technische Systeme, bessere Überwachung und internationale Beobachtung ist es gelungen, das Vertrauen in Wahlen größtenteils wiederherzustellen. Die Ergebnisse der letzten Stichwahl, zeigen: Wahlen in Bolivien verlaufen heute überwiegend korrekt, transparent und im Einklang mit demokratischen Standards.
Informationen aus folgenden Quellen:
Zeitung cnn
Zeitung La patria
Zeitung infobae
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