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Nur Heilige. Mennoniten in Russland, 1789–1889

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Das Buch von James Urrys (Originaltitel None But Saints: The Transformation of Mennonite Life in Russia 1789–1889) liegt hier in einer deutschen Übersetzung von Elisabeth L. Wiens vor (Crossway Publications, 2005).


Inhalt und Aufbau


Urry gliedert sein Buch klar und thematisch: von den Voraussetzungen der Auswanderung und Ansiedlung über Gemeinde- und Verwaltungsstrukturen bis hin zu Wirtschaft, Bildung, Frömmigkeit, inneren Konflikten und den großen Reform- und Umbruchsphasen des 19. Jahrhunderts. Das Inhaltsverzeichnis zeigt 14 Hauptkapitel (u.a. „Der Prophet des Fortschritts“, „Die Verfechter der Tradition“, „Die Entstehung des mennonitischen Staates im Staate“, „1889: Das Jubiläumsjahr“) plus Anhänge, Bibliographie und Register. Tabellen (z.B. Dorfgründungen, Gemeindegrößen) und Karten unterstützen die Orientierung.


Zentrale These des Buches


Der entscheidende Mehrwert des Buches liegt nicht darin, „noch mehr Einzelheiten“ zu sammeln, sondern das vorhandene Material in einem neuen Deutungsrahmen zu interpretieren: Urry betrachtet die Russlandmennoniten im Spannungsfeld des Übergangs von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Gerade weil die Mennoniten Kontinuität und Abschließung anstrebten, wird bei ihnen sichtbar, wie Wandel dennoch „von innen und außen“ wirksam wurde.Dabei bleibt er kritisch gegenüber einfachen Erzählmustern („alles blieb gleich“ vs. „Fortschritt als Erfolgsgeschichte“) und arbeitet heraus, wie beide Selbstbilder auf denselben gesellschaftlichen Transformationsprozess reagieren.


Stärken des Buches


  • Analytische Tiefe statt Heimatkunde-Ton: Urry nimmt mennonitische Selbstdeutungen ernst, ohne sie unkritisch zu übernehmen. Besonders hilfreich ist das dort, wo ältere Geschichtsschreibung (oft aus Predigerperspektive) Konflikte oder soziale Spannungen eher glättete.


  • Breite Themenpalette: Landwirtschaft, Handel, frühe Industrialisierung, Verwaltung, Bildungswesen, Frömmigkeitsstile und soziale Schichtung werden zusammen gedacht – nicht als Einzelkapitel ohne Zusammenhang. Ein Beispiel ist die Darstellung wirtschaftlicher Dynamiken (z.B. neue Industriezweige und Werkstätten) und ihre Rückwirkungen auf Status und Gemeinde.


  • Personen als Brennpunkte von Entwicklung: Das Kapitel zum „Propheten des Fortschritts“ (Johann Cornies) zeigt exemplarisch, wie Reform, Marktintegration und staatliche Erwartungen innerhalb der Kolonien Bewunderung und Widerstände auslösen konnten.


  • Konfliktfelder werden nicht ausgespart: Etwa beim Ringen um Wehrfreiheit bzw. Ersatzdienste (Forstdienst) wird sichtbar, wie sehr Selbstverwaltung, staatliche Vorgaben und Gemeindeautorität miteinander verhandelt wurden.


  • Starker Schlusspunkt mit 1889: Das Jubiläumsjahr wird als Moment von Selbstvergewisserung, Erinnerungskultur und institutioneller Reife beschrieben – inklusive Publikationen, Denkmälern und öffentlicher Inszenierung.


  • Anspruchsvolles, dichtes Sachbuch: Wer eine erzählende „Chronik“ mit vielen Familiengeschichten sucht, wird den wissenschaftlich-analytischen Stil als schwerer zugänglich empfinden. Urry arbeitet stärker mit Strukturen, Prozessen und Deutungen als mit fortlaufender Ereigniserzählung.


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Nur Heilige ist ein Standardwerk, weil es Russlandmennonitische Geschichte aus der „Binnenperspektive der Kolonie“ herauslöst und in die größeren sozialen, wirtschaftlichen und staatlichen Umbrüche des 19. Jahrhunderts einordnet. Wer verstehen will, wie und warum sich Gemeindeformen, Autoritäten, Frömmigkeit und Wirtschaftsweisen veränderten (auch gegen den Willen vieler Beteiligter), wird hier reich belohnt.


Unter folgendem Link kann das Buch als pdf-Datei runtergeladen werden.


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