Gottesdienstbesuch in der mennonitischen Kolonie Belize
- Hans Ulrich Kliewer
- 30. Jan.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 31. Jan.

Da der Gottesdienst in den mennonitischen Gemeinden mit Sonnenaufgang anfängt müssen wir schon um 5 Uhr morgens losfahren. Nach einer Stunde Auto-Fahrt finden wir die mennonitische Kirche: es ist ein einfaches Gebäude aus rötlichen Ziegelstein.

Die Inneneinrichtung ist sehr spartanisch: harte Holzbänke ohne Lehne, eine Kanzel aus Holz, der Innenraum wird nur durch Tageslicht erhellt. Da den Wänden hängen weder Kreuz noch Bilder. Es gibt drei Türen: eine für Frauen, zwei für Männer. In einem kleinen Vorraum steht ein Eimer mit Trinkwasser und zwei Krüge für alle Besucher (mehr als 100 Personen).

Um sieben Uhr (morgens) kommt Bewegung auf den Hof: unzählige Pferdekutschen mit Männern in Schwarz und Frauen, mit ihrer traditionellen Kleidung, steigen ab und eilen in die Kirche.

Wir sprechen Prediger Jeep (Jakob) Enns an. Wir stellen uns vor und werden eingeladen, um auf der drittletzten Bank in der Kirche zu sitzen. Da sitzen gewöhnlich Jugendliche, also “Ungläubige”. Sehr schnell füllt sich die Kirche. Die Frauen kommen von einer Tür auf der linken Seite, Männer mit Mütze durch die Mitte, Männer mit Hut von einer Tür rechts. Warum mit Hut: das sind die Demütigen, das sagt ihnen der Prediger.
Darauf erscheinen sieben Prediger, gehen im Gleichschritt auf ihre Plätze, zugewandt zum Publikum, hängen ihre Hüte auf einen Nagel. Oberhalb der Sitzplätze der Männer ist extra dafür ein Gestell gebaut, für alle.

Der Ohm, Ältester Jeep Enns, tritt ein mit langen Stiefeln, spricht ein Segensgruß und nimmt hinter der Kanzel Platz.

Ein Vorsänger nennt das zu singende Lied, beginnt alleine und langsam fallen alle ein. Jeder hat sein Gesangbuch mitgebracht. Man singt auf Deutsch, doch wir verstehen es nicht. Da man uns kein Gesangbuch reicht, schaue ich über die Schultern meines Nachbarn: alles ohne Noten und in gotischer Schrift .
Nach dem Lied, welches zehn bis fünfzehn Minuten dauert, folgt die Lesung des Textes: Die Bekehrung des Paulus. Es folgt eine lange für uns nicht verständliche Lesung einer Predigt. Die Sprache ist ein altes Hochdeutsch. Der Prediger liest mehrere Bibelstellen quer durch das neue Testament. Es gibt keine Auslegung. Als Gäste haben wir Schwierigkeiten der Predigt zu folgen: das frühe Aufstehen, ungewohnte harte Bänke (der Körper spürt es), die Kirche nur mit Tageslicht, noch Morgendämmerung, die uns ungewohnte Sprache...
Plötzlich spricht der Prediger einen Satz, wohl eine Aufforderung zum stillen Gebet. In einer hohen Geschwindigkeit dreht sich jeder nach rechts, fällt auf die Knie, mit gebeugter Haltung auf dem Sitzplatz. Nach kurzer Zeit folgt wieder ein Satz vom Prediger und alle setzen sich wieder auf ihren Sitzplatz.
Die Lesung der Predigt geht weiter. Doch dann ändert der Prediger wieder seine Sprache. Jetzt geht es auf Plattdeutsch über. Besonders die jungen Menschen, die hinter uns sitzen, werden ermahnt: „Ihr sollt keine Handys benutzen, auch kein „Spältich“ (= alles was spielt, CD, Radio, usw.), bitte achtet besser auf eure Kleidung. Und wir mögen es nicht, wenn man am Sonntagnachmittag gemeinsam (Junge + Mädchen) spazieren fährt. Ihr sollt Zuhause bleiben !!!“ Die ermahnten Jugendlichen, die hinter uns sitzen, nehmen diese Ermahnung leider nicht ernst und zeigen es mit verhaltenen Lachen.
Die Vorlesung geht weiter. Irgendwann kommt wieder ein Gebet und mehr zum Schluss ein längeres Lied. Der Prediger sammelt die Blätter der Predigt zusammen und macht eine Art Schluss. Der Gottesdienst hat zwei Stunden gedauert. Es wurde kein öffentliches Gebet gesprochen und es erfolgte keine Erklärung zum Bibeltext.
Zum Schluss, wie auf Kommando stehen alle Gottesdienstbesucher auf, mit Blick zur Tür. Man geht pro Reihe dort raus, wo man reingekommen ist. Die Letzten gehen zuerst.

In schnellen Schritten geht es zu den Pferdkutschen und zehn Minuten später ist der Kirchenhof leer. Wir beobachten eine Kolonne mit Pferdekutschen, die eine hinter der anderen den Kirchenhof verlässt. Hinter einer Staubwolke am Horizont verschwindet der ganze Treck ...

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