Bei meinem Besuch auf der Wartburg musste ich feststellen, dass neben Luther ein weiterer „Bekannter“ hier verwahrt wurde: der Täufer Fritz Erbe, Luthers Feind. Ich wollte mehr über ihn erfahren, um den Zusammenhang zwischen diesen beiden „Gefangenen“ auf der Wartburg zu verstehen.
Eine Burg mit Geschichte
Die fast 1000 Jahre alte Wartburg zählt zu den bekanntesten Burgen Deutschlands. Ihre besondere Strahlkraft verdankt sie nicht nur der außergewöhnlichen Architektur, sondern auch den historischen Ereignissen und Persönlichkeiten, die eng mit ihr verbunden sind.
Unüberwindbare Festung
Die Wartburg wurde nie erobert. Sie ist gut gesichert: An drei Seiten fällt der Berg steil ab, und die Zugangsseite schützt ein tiefer Graben mit einer Zugbrücke. Vom Torhaus aus hat man einen Blick auf die Stadt Eisenach.
Vorgetäuschte Entführung
Diese Burg ist bekannt dafür, dass Martin Luther hier zehn Monate untertauchte, nachdem er auf dem Reichstag in Worms 1521 zu „Vogelfrei“ erklärt wurde. Viele Unterstützer unter den Fürsten halfen ihm, indem sie eine Scheinentführung inszenierten. Luthers Aufenthalt wird oft als Schlüsselphase der Reformation betrachtet, da seine Bibelübersetzung das Christentum in den deutschen Ländern tiefgreifend veränderte.
Lutherstube: Der Wohnort Luthers
Die Lutherstube war während seines Wartburgaufenthalts 1521/22 sein Wohnort. Dieser Raum, der bald im 16. Jahrhundert zum Pilgerziel wurde, ist heute ein bedeutender Erinnerungsort für Gläubige aus aller Welt. Hier übersetzte Luther das Neue Testament aus dem griechischen Original in die deutsche Volkssprache – und das in nur 11 Wochen.
Luthers Trostlied
In seinem bekanntesten geistlichen Lied lehnte sich Martin Luther an die tröstlichen Worte des Psalms 46 an: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten.“ Während im Psalm die „Stadt Gottes“ bewahrt blieb, wählte Luther das Bild einer vom Feind bedrängten Burg, die später oft mit seinem Aufenthalt auf der Wartburg in Verbindung gebracht wurde.
Der Junker Jörg
Im nördlichen Innenhof der Wartburg befindet sich das Fachwerkhaus (Mitte), in dem die Lutherstube untergebracht ist. Hier lebte Luther als „Junker Jörg“ unerkannt. Zehn Monate lang war er auf der Wartburg, residierte aber wie ein Kavaliersgefangener in seiner Stube. Währenddessen starb der Täufer Fritz Erbe, von Luthers Anhängern in den Kerker gebracht.
Freude und Leid nah beieinander
Der südliche Innenhof der Wartburg zeigt den Palas, wo der Burgherr und seine Familie lebten und Gäste empfingen. Der Palas war somit das Herzstück des sozialen und politischen Lebens der Burg. Im Hintergrund steht der Südturm, der auch als Gefängnis diente, in das Fritz Erbe gebracht wurde.
Gefangen im Turmverlies
Ein Querschnitt des Südturms zeigt, wie der Täufer Fritz Erbe durch das Angstloch etwa acht Meter in die Tiefe hinabgelassen wurde. "Dort blieb er zwei Meter über dem Fels auf einem Holzgerüst in Kälte und Nässe", schreibt Andreas Müller. Erbe, ein begüteter Bauer aus Herda, wurde 1533 gefangen genommen, weil er die Taufe seines Neugeborenen verweigerte und trotz Verbots eine verfolgte Täuferin in sein Haus aufnahm. Die Täufer lehnten die Verbindung von Staat und christlicher Gemeinde ab, was zu heftigen Verfolgungen führte, besonders in Thüringen, einem Zentrum der Täuferbewegung.
Das Angstloch
Das Angstloch im Fußboden des Turmmittelgeschosses bildete den einzigen Zugang zum Verlies. Nachdem Erbe heruntergelassen wurde, schloss man die Luke, sodass es völlig dunkel war. Er blieb von 1540 bis zu seinem Tod 1548 gefangen, zuvor bereits sieben Jahre in einem Turm an der Stadtmauer von Eisenach – insgesamt also 15 Jahre Haft. Ein Bekehrungsversuch des Amtsmanns Eberhard von der Thann scheiterte, da Erbe an seinem Glauben festhielt.
Luthers Feind stirbt auf der Burg
Im Turmverlies ist der Namenszug zu sehen, den Fritz Erbe während seiner Haft in den Stein ritzte. Er wurde 1925 bei Aufräumarbeiten in 2,40 Metern Höhe über dem Felsboden entdeckt. Nach seinem Tod wurde er unterhalb der Burg verscharrt, und etwa 450 Jahre später fand man sein Skelett bei archäologischen Grabungen.
Luther und die Täufer
Der indirekte Zusammenhang zwischen Luther und Fritz Erbe besteht darin, dass Luthers scharfe Kritik an den Täufern die Grundlage für deren Verfolgung schuf. Obwohl Luther nicht direkt an Erbes Inhaftierung beteiligt war, bildete seine theologische Haltung den Rahmen für die Verfolgung von Täufern. Erbes Schicksal symbolisiert den Konflikt zwischen den Strömungen der Reformation und zeigt, wie die Täufer sowohl von der katholischen als auch von der lutherischen Seite unterdrückt wurden. Heute haben Täufer wenig Interesse daran, diese blinden Flecken in Luthers Erbe zu thematisieren; man hat gelernt, damit umzugehen.
Respekt für Luther als Reformator
Die Grafik zeigt die wichtigsten Differenzen zwischen Luther und den Täufern, die wohl bestehen bleiben werden. Dennoch respektieren viele Täufer Luther als zentrale Figur der Reformation, die entscheidende Impulse für die Erneuerung des Christentums gab. Sie anerkennen seine mutige Kritik an der römisch-katholischen Kirche, insbesondere hinsichtlich des Ablasshandels und der Betonung der Bibel als Grundlage des Glaubens.
Für mich stellen sich jedoch folgende Fragen:
War Luthers vernichtendes Vorgehen gegen die Täufer letztlich hilfreich für sie?
Haben diese Herausforderungen dazu geführt, dass die gläubigen Täufer geläutert wurden?
Inwieweit förderte diese Verfolgung die Standhaftigkeit der Gläubigen in ihrem Glauben?
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