Auf Täuferspuren durch Köln
- Andreas Tissen

- 20. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Nov.
Meine Frau und ich streifen durch die Gassen der Kölner Altstadt und begeben uns auf die Spuren der Täuferbewegung. Im 16. Jahrhundert suchten sie hier Zuflucht, wurden aber oft verfolgt. Einige der historischen Orte, die wir vorher recherchiert haben, können wir nun selbst besichtigen und Geschichte mit eigenen Augen erleben.
Köln im 16. Jahrhundert
Wenn wir durch die Altstadt gehen, wird deutlich, wie bedeutend Köln damals war. Im 16. Jahrhundert war es die größte Stadt im deutschen Raum. Hier bildeten sich mehrere Täufergemeinden; vor allem die Schweizer Brüder und die niederländischen Mennoniten. Die Stadt war einerseits Zufluchtsort, andererseits ein Ort ständiger Gefahr.
Die frühe Gemeinde der 1530er Jahre war noch von den Unruhen in Münster geprägt, weshalb der Rat Unruhe und politische Umstürze fürchtete. Doch in den 1540er Jahren setzte eine „innere Reformation“ ein: Die Gemeinden wurden friedlich, zurückgezogen und bemühten sich um ein ruhiges Leben.

Menno Simons in Köln
Während wir heute durch die Gassen gehen, erinnern wir uns an die Person, die das Kölner Täufertum besonders geprägt hat: Menno Simons. Er wirkte von 1544 bis 1546 unter Duldung des evangelisch gesinnten Erzbischofs Hermann von Wied. Wied betrachtete die Täufer weniger als Kriminelle, sondern als religiös Irrende.
In dieser Zeit fand Menno in Köln Schutz, konnte predigen und schreiben; ein selten friedliches Kapitel in einer ansonsten bedrängten Geschichte.

Druck von außen
Wir stehen vor Gebäuden, die noch heute Macht und Einfluss symbolisieren. Auch damals spürte der Kölner Rat politischen Druck: Kaiser und Papst forderten immer wieder, härter gegen Täufer vorzugehen. Später spielten die Jesuiten eine prägende Rolle, vor allem bei dem Bemühen, Täufer zur Rückkehr in die katholische Kirche zu bewegen.

Türme der Stadt: Orte der Haft
Auf unserem Weg erreichen wir die alten Wehranlagen. Die Türme haben eine lange Geschichte – bedrückend, wenn man ihren früheren Zweck kennt.
Bayenturm: Ort der Untersuchungshaft.
Kunibertsturm: Ort der „peinlichen Befragung“, also der Verhöre unter Folter.
In den Archivdokumenten taucht der Hinweis oft auf: Gefangene Täufer sollten „zu Turm gebracht“ werden. Die Verhörprotokolle wurden im sogenannten Turmbuch festgehalten, das heute im Stadtarchiv einsehbar ist.
Wenn wir vor diesen Mauern stehen, wird uns bewusst, wie viel Leid sich hier abgespielt hat.

Märtyrer von Köln
Besonders eindrücklich ist die Geschichte des Druckers Thomas von Imbroich, Mitglied der Schweizer Brüder. Er wurde 1557 gefasst, im Kunibertsturm verhört und 1558 hingerichtet. Seine Schriften – teilweise im Kunibertsturm geschrieben – wurden später zum Zeugnis eines standhaften Glaubens.
Auch 1562 veranlasste der Rat die Verbrennung von Schriften Michael Sattlers, darunter 100 niederländische Exemplare des Schleitheimer Bekenntnisses. Ein Hinweis auf die rege Täuferaktivität in der Stadt.

Der große Schlag von 1565
Wir gehen weiter und gelangen zu Orten, an denen entscheidende Ereignisse stattfanden. 1565 ereignete sich der größte Zugriff der Kölner Geschichte:57 Mennoniten wurden bei einer Versammlung festgenommen.
Die Anführer brachte man in den Kunibertsturm. Unter ihnen Matthias Servaes, der die Verantwortung für die Versammlung auf sich nahm. Trotz aller Bemühungen, ihn zum Widerruf zu bewegen, blieb er standhaft und wurde hingerichtet; auch darüber berichtet der Märtyrerspiegel ausführlich.
Die Täufer hielten am Prinzip der Wehrlosigkeit fest. Sie lehnten sogar einfache Stäbe als mögliche Waffen ab.

Leben im Verborgenen
An manchen Orten merken wir, wie viel Angst und Vorsicht das damalige Leben geprägt haben muss. Ab 1556 durften Bürger keine Fremden aufnehmen, ohne Erlaubnis des Rates; eine Maßnahme, die Täufer besonders traf.
1559 veröffentlichte der Rat Warnbriefe: Täufer seien in der Stadt nicht sicher. Ihre Treffen mussten weiterhin geheim stattfinden, an ständig wechselnden Orten innerhalb und außerhalb Kölns.

Begräbnisse auf dem Judenbüchel
Täufer durften nicht auf christlichen Kirchhöfen beigesetzt werden. Der Rat wies ihnen den Judenbüchel vor der Stadt zu; einst Friedhof der jüdischen Gemeinde und zugleich Hinrichtungsplatz. Wir haben den Ort nicht besucht, heute steht hier die Großmarkthalle. Dennoch lässt sich in den Quellen gut nachvollziehen, wie tief die Ausgrenzung selbst über den Tod hinaus reichte.

Vertreibungen über den Rhein
Vom Rheinufer aus sehen wir hinüber nach Deutz. Für viele Täufer war dies die letzte Station in Köln. In den Ratsprotokollen taucht regelmäßig der Hinweis auf, dass Täufer „abgeschafft“ und nach Deutz übergesetzt wurden; zusammen mit anderen Menschen, die man aus der Stadt entfernen wollte.

Das Ende der Kölner Täuferbewegung
1595 erließ der Rat ein Edikt: Alle Täufer sollten Köln binnen 14 Tagen verlassen. Bürgerrecht, Freiheit und Schutz wurden ihnen entzogen. Laut dem Historiker Crous erlosch die Täuferbewegung im Laufe des Dreißigjährigen Krieges. Rund hundert Jahre lang hatte es Täufer in Köln gegeben; eine Zeit voller Gegenwind und bedrückender Maßnahmen.

Bilanz
Insgesamt wurden in Köln 170 Täufer gefangengenommen, viele gefoltert, neun hingerichtet und zahlreiche vertrieben. Was blieb, ist das stille Zeugnis ihrer Standhaftigkeit und für uns eine Spurensuche, die tief bewegt.
Quellen und weitere Informationen:
Die Strafrechtliche Verfolgung der Täufer in der Freien Reichsstadt Köln 1529 bis 1618, Hans H. Th. Stiasny, Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung 1962
Reformationsakten zu den Wiedertäufern: Kölner Stadtarchiv, z.B. "Best. 45 (Reformation), A 14" startext Digitalisate-Viewer
Turmbuch der Gefängnistürme: Kölner Stadtarchiv, z. B. "Best. 30G (Gerichtswesen), G 207" startext Digitalisate-Viewer

















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