4. Dezember 1762: Katharina II. öffnet Russland für ausländische Siedler
- Redaktion

- vor 3 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen

Als Katharina II. im Sommer 1762 den russischen Thron bestieg, stand ihr Reich vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits war der Siebenjährige Krieg noch nicht beendet, andererseits blieb ein großer Teil der Agrarflächen ungenutzt. Die neue Zarin setzte – ganz im Geist des aufgeklärten Kameralismus – auf Landwirtschaft als Grundlage von Wohlstand. Schon wenige Monate nach ihrer Machtübernahme ließ sie daher ein Programm zur Anwerbung ausländischer Siedler vorbereiten.
Das Manifest vom 4. Dezember 1762
Am 4. Dezember 1762 veröffentlichte Katharina II. ein Manifest, das in der Forschung meist mit dem Titel beschrieben wird:
„Über die Erlaubnis für alle nach Russland einreisenden Ausländer, sich in allen Gouvernements, wo es einem jeden gefällig, häuslich niederzulassen, und über die ihnen gewährten Rechte.“
Der Ukas erlaubte allen Ausländern – mit Ausnahme der Juden – die Niederlassung im Russischen Reich und hob zugleich frühere Beschränkungen auf, nach denen Einwanderer orthodox sein mussten. Zugleich stellte der Erlass russischen Untertanen, die ins Ausland geflohen waren, Straffreiheit in Aussicht, wenn sie nach Russland zurückkehrten.
In knappen, eher allgemeinen Formulierungen versprach Katharina:
freie Einreise und Niederlassung in allen Gouvernements des Reiches,
die Unterstützung der Behörden bei der Zuweisung von Land,
Schutz durch die Krone.
Konkrete Einzelheiten – etwa zur Steuerfreiheit, zur militärischen Befreiung oder zu innerer Selbstverwaltung – fehlten allerdings noch. Das Manifest war mehr ein politisches Signal als ein ausgearbeitetes Kolonisationsprogramm.

Warum das Manifest in Deutschland kaum wahrgenommen wurde
Katharina ordnete an, dass das Manifest „in allen Sprachen“ verbreitet und „in allen ausländischen Zeitungen“ abgedruckt werden solle. Doch die Resonanz blieb enttäuschend:
Kriegslage in Mitteleuropa:
1762 tobte der Siebenjährige Krieg noch, erst 1763 brachte der Frieden von Hubertusburg eine Entspannung. Für viele Untertanen deutscher Fürsten war Auswanderung in dieser Situation kaum realistisch.
Fehlende konkrete Anreize:
Die Bestimmungen waren allgemein gehalten; es fehlten klare Zusagen zu Steuerfreiheit, Militärbefreiung und finanzieller Unterstützung. Gerade diese Punkte entschieden für bäuerliche Familien über „Bleiben oder Gehen“. Zeitgenössische wie moderne Darstellungen betonen daher, dass das Manifest vom 4. Dezember 1762 „kaum Resonanz“ fand und „geschichtlich nahezu folgenlos“ blieb.
Konkurrenz anderer Staaten:
Auch Preußen, Österreich und andere Territorien warben in dieser Zeit um Kolonisten. Für viele Bauern schien eine Binnenwanderung näherliegend als die weite und riskante Reise nach Russland.
So erklärt sich, warum das Datum 4. Dezember 1762 im deutschsprachigen Raum kaum Spuren in Flugschriften, Chroniken oder Kirchenbüchern hinterlassen hat – auch nicht in mennonitischen Quellen.
Die Mennoniten im Jahr 1762: Noch keine Auswanderungswelle
Zur Zeit des Manifests von 1762 lebten die meisten Mennoniten, die später nach Russland ziehen sollten, in den Weichselniederungen Westpreußens – rund um Danzig, Marienburg und Elbing – sowie in den Niederlanden und einigen kleineren Gruppen in Polen. Sie galten als hochqualifizierte Meliorationsbauern, spezialisiert auf Deichbau, Entwässerung und intensiven Getreideanbau.

Mehrere Faktoren prägten ihre Lage:
Sie genossen zwar eine gewisse Glaubensfreiheit, standen aber als Wehrdienstverweigerer unter politischem Druck.
In Preußen wurden im 18. Jahrhundert wiederholt Versuche unternommen, sie zur Zahlung von Militär- und Kirchsteuern zu zwingen; teilweise wurde ihnen der Landkauf untersagt.
Landknappheit in den alten Siedlungsgebieten setzte die wirtschaftliche Entwicklung unter Druck.
Trotzdem löste das Manifest von 1762 noch keine direkte mennonitische Auswanderungsbewegung nach Russland aus. Die Gemeinden waren lokal stark eingebunden, die politischen Verhältnisse unsicher, und das russische Angebot zu unkonkret.
Quellen:
Wikimedia Commons, „Profile portrait of Catherine II by Fedor Rokotov (1763, Tretyakov Gallery)“. Fedor: Portrait of Catherine II, 1763. Öl auf Leinwand, Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau. Digitales Abbild in:
Manifest der Zarin Katharina II. vom 22. Juli 1763 (deutsche Druckfassung des Einladungsmanifests). Flugblatt, 1763. Russisches Staatsarchiv für alte Akten (RGADA), Moskau. Digitalisat in: „Manifest vom 22. Juli 1763“, in: Geschichte der Russlanddeutschen (Online-Projekt).




Kommentare