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24. Dezember 1930: Weihnachten, das keines war

Darstellung eines chinesischen Dorfes in der Mandschurei
Darstellung eines chinesischen Dorfes in der Mandschurei

Für die mennonitischen Flüchtlinge aus dem Dorf Schumanowka, die am 16 Dezember die Flucht über den Amur gewagt hatten und sich nun in China befanden, war es zwar dem Kalender nach Weihnachten – feiern konnten sie es aber nicht. Die Umstände ließen keinen Raum für festliche Formen, für Gemeinschaftsfreude, für Lieder oder eine stille Weihnachtsandacht, wie sie es aus der Heimat kannten. Dieses Weihnachten fiel aus – nicht aus mangelndem Glauben, sondern weil Not, Angst und Unsicherheit jede Kraft aufzehrten.


Denn sie befanden sich in einem Land, in dem Weihnachten nicht begangen wurde, und sie selbst waren heimatlos, erschöpft und innerlich angespannt. Die Flucht hatte Spuren hinterlassen: Kälte, Erfrierungen, Schmerzen – und eine Trauer, die wie eine dunkle Decke über allem lag. In Kani-Fu starb ein zweijähriges Kind während der Fahrt; die Gruppe musste ihr erstes Begräbnis auf chinesischem Boden halten. Nach einem solchen Verlust konnte kein Fest entstehen.


Darstellung der Flüchtlinge, die gespannt darauf warten wie es weiter gehen kann
Darstellung der Flüchtlinge, die gespannt darauf warten wie es weiter gehen kann

Hinzu kam die bedrückende Lage vor Ort. Kaum angekommen, wurden sie von den Umständen weiter getrieben: fremde Behörden, unklare Vorschriften, Forderungen nach Geld, die Abhängigkeit von Genehmigungen und Visa. Während man sonst in diesen Tagen das Kommen des Heilands in Ruhe betrachtet hätte, kreisten nun alle Gedanken nur um Fragen wie: Dürfen wir weiter? Wann? Zu welchem Preis? Selbst die Abordnungen, die verhandeln mussten, reisten nachts – aus Angst, der Polizei in die Hände zu fallen.


Auch die Situation im Dorf raubte ihnen jede innere Ruhe. In den umliegenden Orten sprach sich die Ankunft schnell herum; die Menschen kamen scharenweise, um Pferde und Nähmaschinen billig zu erwerben. Die Flüchtlinge mussten ihre wenigen Habseligkeiten schützen, freundlich abwehren, wachsam bleiben, teils sogar Wachen aufstellen. Unter dieser ständigen Bedrängnis konnte keine Weihnachtsstimmung aufkommen.


Bildhafte Darstellung von Chinesen die den mennonitischen Flüchtlingen Sachen abkaufen wollen
Bildhafte Darstellung von Chinesen die den mennonitischen Flüchtlingen Sachen abkaufen wollen

So kam das Weihnachtsfest heran – und ging vorüber. Es wurde nicht gefeiert. Es gab keine festliche Sammlung, keine vertrauten Zeichen, keine Freude, wie sie Weihnachten sonst schenkt. Die Tage wurden nicht begangen, sondern „überstanden“. Dieses Weihnachten war still, weil es still sein musste. Die Herzen waren von Trauer, Angst und Erwartung so in Anspruch genommen, dass dem Fest kaum Beachtung bleiben konnte.


Es war Weihnachten – und doch war es für diese Menschen ein Weihnachten ohne Feier: ein Fest im Kalender, aber nicht im Leben.


In dem Buch " Die Flucht über den Amur" zitiert der Autor die Geschwister Boschmann mit folgenden Worten, welche die Situation und die Emotionslage der Flüchtlinge an diesen Weihnachtstagen in China beschreiben:


Unterdessen war das heilige Weihnachtsfest herangerückt. Da jedoch unsere Gemüter durch die ungewohnten Verhältnisse auf chinesischem Boden und durch die bange Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, so in Anspruch genommen wurden, wurde den Festtagen nur wenig Beachtung entgegengebracht. Wohl noch nie im Leben hatten wir in solcher Passivität die Weihnachtstage verlebt, wie in diesem Jahr unter den außergewöhnlichen Verhältnissen. So ging das Fest still, wie es kam, vorüber. Unsere Blicke waren dauernd auf die Geschehnisse der nächsten Tage gerichtet. – Wie und wann werden wir endlich weiterfahren können, und wird es uns vergönnt sein, Harbin, unser vorläufiges Ziel, zu erreichen?


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