Wie die Mennoniten Ostfriesland veränderten
- Andreas Tissen
- vor 2 Tagen
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Ab 1544 kamen Mennoniten aus Holland nach Ostfriesland – auf der Flucht vor Verfolgung. Sie brachten wertvolles Wissen mit. Mit Spaten, Schaufeln und Erfahrung bauten sie Deiche, zogen Kanäle – und schufen neues Land. So entstand der Ort Neustadtgödens.
Ein sicheres Zuhause – gegen Bezahlung
Die Herrschaft Gödens stellte den Mennoniten mehrfach sogenannte „Geleitbriefe“ aus. Darin wurde ihnen zugesichert, dass sie vom Militärdienst befreit waren – solange sie friedlich blieben. Dafür mussten sie einmalig 100 Reichstaler und laufende Beiträge zahlen.
Links: Ein Mennoniten-Geleitbrief von 1751; Rechts: Neustadtgödens mit Hausmarken
Ein Angebot der Familie von Freydag
Im nahe gelegenen Schloss Gödens lebte die Familie von Freydag. Sie bot den geflüchteten Mennoniten an, sich dort niederzulassen. Noch heute leben ihre Nachfahren im Schloss – darum ist es leider nicht von innen zu besichtigen.

Fachkräfte aus den Niederlanden
Unter den ersten Siedlern waren viele mennonitische Glaubensflüchtlinge. Einige wurden gezielt als Deicharbeiter aus den Niederlanden angeworben. Wie zur gleichen Zeit auch in Westpreußen trockneten sie große Flächen aus. Die Landschaft wurde von Deichen und Kanälen geprägt.

Windkraft gegen das Wasser
Eine entscheidende Rolle spielten Windmühlen. Aber nicht zum Mahlen von Korn – sondern zum Pumpen von Wasser. Mit Windkraft wurde das gesammelte Wasser aus den Kanälen gehoben und weitergeleitet. Noch heute ist eine dieser Pumpmühlen mit hölzerner Schraube in Betrieb und wird zu besonderen Anlässen vorgeführt.
Links: Pumpmühle in Neustadtgödens; Rechts: hölzerne Schraube der Pumpmühle
Eine eigene Kirche
Obwohl die Mennoniten zu den ersten Bewohnern des Ortes gehörten, durften sie erst 1741 eine eigene Kirche bauen. Das war fast 200 Jahre nach ihrer Ankunft. Die Gemeinde wuchs, doch rund 100 Jahre später, 1841, wurde dort die letzte Predigt gehalten. Danach löste sich die Gemeinde auf.

Vom Gotteshaus zur Gaststätte
Heute ist in dem alten Kirchengebäude eine Gaststätte untergebracht. Die Kirche war – wie das Leben der Mennoniten – sehr bescheiden gestaltet. Hohe Fenster erinnern noch an das frühere Gotteshaus. Kaum zu glauben, dass hier einst streng gläubige Menschen Gott zu gefallen suchten.

Ein Museum erzählt ihre Geschichte
Im Landrichthaus gibt es heute ein kleines Museum. Es zeigt, wie viel die ersten Mennoniten für Neustadtgödens geleistet hatten. Sie legten große Flächen trocken – so groß, dass man sogar Landkarten neu zeichnen musste.

Vom Flachsfeld zum Welthandel
Später arbeiteten viele Mennoniten als Leinenweber. Sie bauten Flachs auf den neuen Feldern an und stellten daraus Stoffe her. Bald wurde Neustadtgödens ein wichtiger Handelsort mit Hafen und guten Verbindungen. Viele Menschen lebten dort vom Handel und von der Schifffahrt.

Warum sie gingen – bleibt ungewiss
Ich habe lange recherchiert und versucht herauszufinden, warum sich die Mennonitengemeinde in Neustadtgödens aufgelöst hat. Eine eindeutige Antwort habe ich nicht gefunden. Es bleiben Vermutungen – und die Hoffnung, dass sie nicht ihren Glauben, sondern nur diesen Ort verlassen haben.
Weitere Informationen:
Buch: Neustadtgödens - Lebensbeschreibungen, Ereignisse und Bilder aus 450 Jahren; Heimatverein Gödens-Sande e.V.; 1994; 96 Seiten