Gegenüberstellung: Luther und Menno Simons
- Redaktion

- 3. Nov.
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Martin Luther und Menno Simons waren zwei sehr bekannte Persönlichkeiten aus der Reformation und der späteren Täufergeschichte. Beide kamen aus der katholischen Kirche, und waren dort Priester gewesen. Beide waren aber mit dem Zustand der Katholischen Kirche unzufrieden und sahen in dieser Kirche keine Möglichkeit das Heil zu erwerben.
Die Gegenüberstellung der Glaubensüberzeugungen Martin Luthers und Menno Simons’ ist aus täuferischer Sicht von zentraler Bedeutung, weil sie den entscheidenden Unterschied zwischen einer reformatorischen Erneuerung der Kirche und einer am Evangelium orientierten Neugestaltung des christlichen Lebens sichtbar macht.
Während Luther die Reformation als Wiederherstellung der biblischen Lehre innerhalb der bestehenden kirchlichen und gesellschaftlichen Ordnung verstand, suchten Menno Simons und die Täufer nach einer konsequenten Umsetzung der Bergpredigt und der Lehre Jesu in allen Lebensbereichen.
Aus täuferischer Perspektive war Luthers Reformation unvollständig: Sie befreite zwar theologisch vom Papsttum, ließ aber nach ihrer Auffassung den weltlichen Machtmissbrauch, die Gewalt und die Verbindung von Kirche und Staat unangetastet.
Menno Simons erkannte in Luthers Lehre zwar den wahren Ansatz einer Rückkehr zum Evangelium, sah jedoch darin auch eine gefährliche Verkürzung, weil der „Glaube allein“ (sola fide) ohne praktische Nachfolge Christi zur sittlichen Gleichgültigkeit führen könne.
Die Täufer verstanden Nachfolge nicht als rein innerliches Glaubensbekenntnis, sondern als sichtbares, tätiges Leben in Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes. Sie forderten Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Einfachheit und die freiwillige Zugehörigkeit zur Gemeinde der Gläubigen. Diese Prinzipien führten sie in direkten Gegensatz zu Luthers Betonung der obrigkeitlichen Ordnung und der Kindertaufe.
Aus täuferischer Sicht ist der Vergleich deshalb wichtig, weil er zeigt, wie sehr sich die Reformation in zwei entgegengesetzte Richtungen entwickelte: eine kirchlich-staatliche, durch Luther vertretene, und eine gemeindlich-freiwillige, durch Menno Simons verkörperte. Diese Spannung prägt das protestantische Christentum bis heute – zwischen institutioneller Religion und persönlicher, gelebter Nachfolge.
Die folgenden kurze Gegenüberstellung soll die unterschiedlichen Meinungen von Luther und Menno Simons aufzeigen:
Martin Luther vertrat die Auffassung, dass der Mensch allein durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne dass Werke notwendig seien. In seiner Schrift über die Bauernaufstände schrieb er:
„Wer Gottes Wort nicht will hören mit Güte, der muss den Henker hören mit der Schärfe. “ Quelle: D. Mart. Luthers Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern, Juni/Juli 1525 [W16, S. 80, Abs. 8]
Damit begründete er die Niederschlagung von Aufständen und betonte die Pflicht der Obrigkeit, ungehorsame Untertanen gewaltsam zu bestrafen.
Menno Simons hingegen kritisierte diese Haltung scharf. Er sah im Glauben ohne gelebte Frömmigkeit eine gefährliche Verfälschung des Evangeliums:
„Die Lutherischen lehren und glauben, dass uns der Glaube allein selig mache, auch ohne irgendwelches Zutun der Werke. [...] O stolze Torheit! [...] Das überflüssige Essen und Trinken, die übermäßige Pracht und Hoffart, das Huren, Lügen, Betrügen, Fluchen, Schwören [...] welches leider bei vielen von ihnen gefunden wird, hat weder Maß noch Ende.“
Quelle: Menno Simons, Die vollständigen Werke, zitiert auf märtyrerspiegel.blogspot.de.
Für die Täufer war echter Glaube untrennbar mit einem Leben in Gehorsam, Gewaltlosigkeit und Heiligkeit verbunden.
Luther sah die weltliche Gewalt als von Gott eingesetzt, um Recht und Ordnung durchzusetzen. In seiner Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ forderte er:
„Wilcher nu ein solchen auffrhürer sihet, sol ein schwerd nemen und umb erhaltung willen seiner obirkeit den selbigen todschlagen, denn ynn dem thut er recht [...] das ein solch fewer werde ausgeleschet.“
Quelle: D. Martin Luthers Verantworttung auff das büchlein widder die reüberischen und mördischen Bawern, Pfingsten 1525 [WA17, S. 266].
Für Luther war der Einsatz von Gewalt nicht nur zulässig, sondern geboten, um die göttliche Ordnung zu erhalten.
Menno Simons sowie die Täufer lehnten hingegen jede Form von Gewalt ab. Menno Simons schrieb:
„Denn er (der Glaube) sei eine freiwillige Hingabe des Herzens. Ja, alle, die solches aus reiner Liebe tun, werden als verfluchte Wiedertäufer, Aufrührer, Verführer und Ketzer angeschuldigt, dessen mögen alle Gottesfürchtigen gewärtig sein.“
Quelle: Menno Simons, Die vollständigen Werke, zitiert auf märtyrerspiegel.blogspot.de.
Sie betonten, dass Christen sich allein auf das Wort Gottes und die Nachfolge Christi stützen sollten, niemals auf Schwert oder Obrigkeit, und dass jede Gewalt dem Evangelium widerspreche.
Luther vertrat in der Frage der Taufe die Kindertaufe als Zeichen des Bundes und der Gnade Gottes:
„Prediger sind die größten Todtschläger, denn sie vermahnen die Oberkeit ihres Amts, daß sie böse Buben strafen sollen. Ich, M. Luther, hab im Aufruhr alle Bauern erschlagen, denn ich hab sie heißen todtschlagen; all ihr Blut ist auf meinem Hals.“
Quelle: D. Martin Luthers Sammlung von Konrad Cordatus, 26.–29. Januar 1533 [WA3, S. 75].
Damit verband Luther die Taufe und die Zugehörigkeit zur Kirche eng mit der geordneten Gesellschaft und der Obrigkeit.
Menno Simons dagegen betonte die Gläubigentaufe und die freiwillige Zugehörigkeit zur Gemeinde:
„Siehe, so lässt Gott, der gerechte Herr, diejenigen irren und es in ihren Herzen dunkel werden, die in ihrer fleischlichen Wollust und ihrem Mutwillen sich auf den kostbaren Tod und das allerheiligste Fleisch und Blut unsers Herrn Jesu Christi [...] verlassen und stützen, ja, es zu einer Ursache ihres unreinen, sündlichen Fleisches machen.“
Quelle: Menno Simons, Die vollständigen Werke, zitiert auf märtyrerspiegel.blogspot.de.
Für die Täufer war die Taufe ein bewusstes Zeichen der persönlichen Nachfolge, nicht ein bloßes Ritual, das von Geburt oder Zwang abhängt.
Luther akzeptierte die Menschen als „simul iustus et peccator“ – gerechtfertigt und gleichzeitig Sünder – und sah im Einsatz von weltlicher Gewalt und Härte kein Widerspruch zum christlichen Glauben. Er schrieb:
„Solche wunderliche Zeiten sind jetzt, daß ein Fürst den Himmel mit Blutvergießen verdienen kann baß [=besser], denn andere mit Beten.“
Quelle: D. Martin Luthers Schrift wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, vor Mitte Mai 1525 [W16, S. 76, Abs. 12].
Menno Simons hingegen sah wahre Christen durch ihre Taten gekennzeichnet. Er forderte Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Heiligkeit als sichtbare Frucht des Glaubens:
„Merkt, liebe Brüder, wie fern doch die ganze Welt von Gott und Gottes Wort ist; wie schnell ihre Füße sind, unschuldig Blut zu vergießen; wie bitter sie das Licht hassen und wie feindselig sie die ewig seligmachende Wahrheit [...] verfolgen, schmähen und ausrotten.“
Quelle: Menno Simons, Die vollständigen Werke, zitiert auf märtyrerspiegel.blogspot.de.
Die Täufer verstanden die Gewaltfreiheit nicht nur als moralische Empfehlung, sondern als Kern des Glaubens und Kennzeichen der wahren Gemeinde.
Zusammenfassung
Glaube und Werke: Luther betonte Rechtfertigung durch Glauben allein; die Täufer sahen den Glauben als untrennbar verbunden mit einem heiligen Leben und guten Werken.
Gewalt und Obrigkeit: Luther rechtfertigte Gewalt gegen Aufrührer; die Täufer lehnten jede Anwendung von Gewalt ab.
Kirche und Gemeinde: Luther akzeptierte eine „Volkskirche“ mit Kindertaufe und Bindung an die staatliche Ordnung; die Täufer wollten freiwillige Gemeinden aus Gläubigen und praktizierten Gläubigentaufe.
Nachfolge Christi: Luther sah sie in innerem Vertrauen; die Täufer verstanden sie als Lebenswandel nach biblischem Vorbild, sichtbar im Alltag.
Die Gegenüberstellung zeigt deutlich: Luther war zwar ein Reformator der Kirche, hielt aber an vielem der katholischen Kirche fest und unterschied sich auch in ethischer und praktischer Lebensführung radikal von den Täufern, die anders orientiert waren, und die das Evangelium als konkretes, sichtbares Lebenszeugnis verstanden.




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